Kunstinstallation an der Universitäts- und Landesbibliothek Innsbruck

On Stones, 2009, Georgia Creimer – Pressetext

Der Wettbewerb
Die Fusionierung der Universitätsbibliothek Innsbruck mit der Tiroler Landesbibliothek und die dafür notwendig gewordene Errichtung neuer Räumlichkeiten (Architekten Eck, Reiter & Rossmann) führte im Februar 2008 zur Ausschreibung eines Kunst und Bau-Wettbewerbes seitens der Bundesimmobiliengesellschaft. Für sich entschieden hat diesen Wettbewerb zur künstlerischen Ausgestaltung der ULB, der neuen Universitäts- und Landesbibliothek, die aus Sao Paulo/Brasilien gebürtige und in Wien lebende Künstlerin Georgia Creimer.

Überzeugen konnte Creimer die JurorInnen Katharina Blaas, Karl Dürhammer, Gregor Eichinger, Arnold Klotz, Dietmar Rossmann und Eva Schlegel mit einem Konzept, das eng mit der Architektur verwoben auf die baulichen Gegebenheiten Bezug nimmt und in vielfältiger Weise die kommunikativen Achsen sowohl innerhalb des Gebäudes als auch nach außen verdichtet.

Der Ort
Der Bibliotheks-Neubau, im Untergeschoß der Universitätsgebäude an der Innsbrucker Blasius Hueber Straße angesiedelt, verfügt über acht verglaste Atrien im Ausmaß von je 9 x 3 Metern, durch die Tageslicht von oben in die Innenräume fällt. Um die Atrien herum sind sowohl die Leseplätze für die Besucher als auch die Büros der Mitarbeiter gruppiert. Das begehbare Dach der Bibliothek dient gleichzeitig als Zugangsebene für die Universitäts¬gebäude. Die Atrien, von Glasbrüstungen begrenzt, sind auch von oben aus für Passanten einsehbar.

Diese Atrien hat Georgia Creimer als Orte für ihre Kunst-Installation ausgewählt. Drei Elemente bilden die einerseits konzentrativ fokussierenden und andererseits weithin kommunizierenden Bestandteile der Installation: in den Höfen platzierte Findlingsteine, über den Boden der Höfe sich konzentrisch ausbreitende weiße Ringe, welche die Form des jeweiligen Steines aufnehmen, sowie Textzitate aus einem Roman von Christoph Ransmayer, welche an den Glasbrüstungen angebracht sind.

Die Findlinge
In jedem der acht Innenhöfe wurde jeweils einer jener Findlingsteine versetzt, welche die Künstlerin im Sommer 2008 in der Umgebung von Innsbruck gefunden und ausgewählt hat. Diese Steinriesen, Granite aus den umliegenden Tälern, bringen ein Gewicht von je fünf bis zehn Tonne auf die Waage.

„Stein“, so Creimer, „kann auch als „verdichtete Information“ verstanden werden, Millionen Jahre Erdgeschichte sind in ihm gespeichert. Er wird damit zur Metapher für die Bibliothek und ihre räumliche Konzentration von Büchern, welche ihrerseits als Speicher verdichteten Wissens betrachtet werden können.“

Die von Creimer verwendeten, rauen, unbehandelten Steine holen, gleichsam die Architektur kontrastierend, ein Stück Natur in das Innere des Gebäudes. Sie dienen darüber hinaus, im Sinne Identität stiftender Elemente der Region Tirol, auch der „Verortung“ der Besucher der neuen ULB. Man wird, sieht man als Leser von seiner Lektüre auf und in eines der Atrien, daran erinnert wo man sich befindet.

Die Ringe
Um jeden Stein herum, die Form seines Umfanges aufnehmend und ringförmig weiter verbreitend, strukturieren reflektierend-weiß lackierte, aus Alublech geschnittene Ringe den Boden jedes der Atrium-Höfe.

Hier entstehen einerseits Assoziationen zur Sprache von Comics, in deren Grafik starke konzentrische Linien oder Streifen oft benutzt werden um eine gezeichnete Figur zu verstärken, die Konzentration auf sie zu erhöhen oder eine Emotion darzustellen.

Andererseits bleibt die Erinnerung an die Zen-Gärten des alten Japan nicht aus, in denen die bekannten, Wasser symbolisierenden, mit dem Rechen konzentrisch um Steine geführten Sand-Reliefs Verwendung finden. Ähnlich jenen Gärten werden durch diese Gestaltung auch die Höfe der Bibliothek zu konzentrierten Orten, der Kontemplation der Benutzer dienend.

Die Schrift
An den Glasbrüstungen jedes der acht Höfe befinden sich Teilstücke einer Textstelle aus Christoph Ransmayers Roman „Der Fliegende Berg“, welche Georgia Creimer für ihre Arbeit zitiert. Die von Creimer verwendete Textstelle beschäftigt sich mit der Möglichkeit Zeit und Raum zu überwinden für all jene, die der Kunst des Schreibens und des Lesens mächtig sind.

Der Text, in der Handschrift des Autors, appliziert in weißer Farbe, zieht sich über alle acht Glasbrüstungen, verbindet diese und setzt so auf dem Dach der Bibliothek, dort wo Studenten und Passanten vorbeigehen, einen Hinweis auf die darunter liegenden Räumlichkeiten.

Georgia Creimer über ihre Installation an der ULB Innsbruck
„ Die zentrale Idee meines Projektes war eine Verbindung zu schaffen zwischen dem unterirdischen Innenraum der Bibliothek und dem, auch für Passanten und Stadtbewohner sichtbaren, öffentlichen Außenraum im Bereich des Einganges zur Universität, des Bibliothekdaches.

Auf dem Boden jedes Lichthofes wird eine Art “Landschaft” kreiert, welche vom Inneren der Bibliothek aus betrachtet die Konzentration der Lesenden unterstützen soll. Durch die Positionierung der unterschiedlichen Steine und der korrespondierenden “Ringe” auf dem Boden werden die einzelnen Lichthöfe zu definierten Orten, zu räumlichen Identitäten innerhalb des Großraumes der Bibliothek. Man könnte, um sich zu verabreden, beispielsweise sagen: “... wir treffen uns beim flachen Stein ...”.

Oben, auf dem Bibliotheksdach, dem Vorplatz des Universitätsgebäudes, ist man durch den Text an den Glasbrüstungen erinnert wo man sich befindet: an einem Ort der Schrift, des Buches, des Wissens. Die von oben aus einsehbaren Lichthöfe zeigen dem Betrachter dieselben “Landschaften”, diesmal aber aus einer Art Vogelperspektive, die sie abstrakter, flacher, grafischer erscheinen lassen.

Dort stehend und wiederum nach oben in die Ferne schauend, sieht man dann die wirklichen Berge, riesengroß, weit weg und gleichzeitig sehr nah. Die Wirklichkeit ist vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde aufgehoben. Was es außen und oben im Überfluss zu sehen gibt ist auf einmal innen und drinnen. Und umgekehrt, was unten und innen in Form von Schrift den Raum überflutet befindet sich nun oben und draußen, gleichzeitig befreit und Identität stiftend.

Besucher und Benutzer des Universitätsgeländes haben die Möglichkeit, den an den Glasbrüstungen angebrachten Text zu „entziffern“ indem sie die jeweilige Fortsetzung an der nächsten Brüstung suchen. Die Installation funktioniert jedoch auch ohne eine komplette Entzifferung des Textes. Die Worte und Teilstücke der Sätze haben für sich poetische Wirkung und besitzen letztendlich die Kraft des visuellen Elementes.

Im Gegensatz zur konzentrierten Situation der Bibliothek, wo die Suche nach der Information organisiert und möglichst leicht gemacht wird, ist die Situation auf der Platte eher eine der Verstreuung. Man bewegt sich während des Lesens, liest gleichsam mit dem eigenen Körper.“